Irgendwann wurde es wieder schlimmer
Eines Tages begann die Regel richtig fies zu schmerzen. Nur am ersten Tag und auch nur für ein bis zwei Stunden. Mit Ibuprofen war das alles grad noch so auszuhalten, blockierte mich im Alltag aber zunehmend. Weitere Zeit später wurde der Schmerz noch heftiger und die Ibu wirkte langsam bis kaum, erst recht nicht, wenn ich sie zu spät einnahm. Dann kam der Tag an dem mein Darm beschloss in das Drama einzusteigen und ich mit Kreislaufbeschwerden und Bewusstlosigkeit zu kämpfen hatte. Vor Schmerz konnte ich kaum reden und atmen. Oft fand ich mich irgendwo auf dem Badezimmerboden kauernd, völlig erschöpft und hilflos wieder.
Ich hatte nie ein Kind geboren aber ich war mir sicher: So müssen sich Wehen anfühlen.
Ein Jahr später eskalierte es gänzlich und endete unter schwersten, wehenartigen Krämpfen bewußtlos in der Notaufnahme. Krämpfe und Schmerz hatten sich trotz Maximaldosis Schmerzmittel über Stunden hinweg gnadenlos durch meinen Unterleib gebohrt. Von den bisher gewohnten „Wehenpausen“, die einen kurz verschnaufen ließen, keine Spur mehr. Einzig der Schmerztropf der Sanitäter, gefüllt mit Buscopan und Novalgin, konnte mich befreien. Diese Episoden wiederholten sich fortan mehrmals jährlich. Die Blutwerte, welche dabei in der Notaufnahme ausgewertet wurden, zeigten in diesen Stunden jedes Mal irgendeinen katastrophalen Wert. Mal waren die Leberwerte so schlecht, dass man mich aus Angst vor Organversagen nicht entlassen wollte, mal waren die Entzündungswerte katastrophal, ein anderes Mal die Schilddrüsenwerte. Bei Nachuntersuchungen durch den Hausarzt, waren diese Werte wie von Geisterhand genesen und zeigten mich schon 48 Stunden später wieder als kerngesunden Menschen. Die Zyklen zwischen diesen desaströsen Vorfällen waren auch enorm schmerzhaft, aber eben bei vollem Bewusstsein und mit vielen Schmerzmitteln irgendwie zu überstehen. Ich fürchtete mich vor meiner Regelblutung und wusste: das kann nicht normal sein.
Es kam die Nacht,
in der ich mit kaum mehr messbarem Puls, zusammengebrochen unter unerträglichen Schmerzen, am Rande des Bewusstseins auf dem Fußboden lag, und eigentlich nur noch sterben wollte, während Rettungssanitäter an mir rumzerrten, mir einen intravenösen Zugang legten und versuchten einen Blutdruck zu finden. Der Schmerz war trotz Medikamentenüberdosis so stark, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich zu bewegen, zu sprechen oder gleichmäßig zu atmen. Selbst den Notarzt konnte ich nicht mehr selbstständig rufen. Ich war nassgeschwitzt aber frohr unfassbar doll, hatte massiven Durchfall und mehrere Ohnmachtsanfälle. Es war ein unangenehmer und glücklicher Umstand gleichermaßen, dass ich gerade bei Freunden zu Besuch war. So kam ich in einer fremden Stadt in die Notaufnahme, in der mich der diensthabende Chirurg(!) fragte, ob ich schon einmal etwas von Endometriose gehört hätte und notierte diesen Verdacht im Arztbericht. Anschließend wurden ein Ultraschall und eine Tastuntersuchung gemacht, deren Befunde unauffällig war. Die netten Ärztinnen erläuterten mir, dass nichts Auffälliges zu sehen sei, was den Verdacht auf Endometriose erhärten würde, eine sichere Diagnose jedoch nur durch eine Bauchspiegelung gestellt werden kann. Ich bin diesem Arzt aus der Notaufnahme im Nachhinein sehr dankbar, denn er brachte einen Stein ins Rollen, der sonst noch lange liegen geblieben wäre.
Mit seinem Arzt-Bericht stellte ich mich eine Woche später bei meiner Frauenärztin vor, welcher ich auch in den Jahren zuvor schon mehrmals von den starken Schmerzen berichtet hatte. Bisher riet Sie mir stets zu Schmerzmitteln und mehr sportlicher Aktivität. Einmal meinte sie, ein unerfüllter Kinderwunsch könnte hinter den Schmerzen stecken, einmal anderes Mal sagte sie, das wäre nun mal so bei einigen Frauen, oder sie tröstete mich mit den zwar fernen, aber irgendwann rettenden Wechseljahren. Diesmal erbarmte sie sich zu einem Ultraschall. Der war wieder völlig unauffällig und so verschrieb mir meine Frauenärztin einfach ein neues Schmerzmittel. Doch tief drinnen wußte ich: Da muss etwas sein.
Allein dieses Gefühl trieb mich zu einer anderen Gynäkologin, welche sofort eine Überweisung ins Krankenhaus ausstellte und eine Bauchspiegelung anordnete.
Ich ging direkt ins Krankenhaus,
denn ich fürchtete nichts mehr, als noch einen Zyklus unter diesen mörderischen Schmerzen. Eine OP in Vollnarkose schien mir dagegen wie ein Spaziergang und wurde es im Vergleich zu den Regelschmerzen auch. Eine Woche später verließ ich das Krankenhaus mit der Diagnose Endometriose. Wie die Opwar, erzähle ich Euch hier. Es wurden Herde im Douglas Raum entfernt, eine Zysten am Eierstock und eine Verwachsung am Darm. Als die Diagnose kam, war ich noch halb in Narkose und völlig belämmert, deshalb fasste ich die Nachricht erstmal recht locker auf. Gut betreut, fühlte ich mich durch dieses Krankenhaus nicht. Denn obwohl alle sehr, wirklich sehr nett waren, und ein schönes Zertifikat mit der Aufschrift „zertifiziertes Endometriosezentrum“ an der Wand hing, ging ich ohne viele weitere Informationen von der Station und musste mir alles weitere Wissen selbst verschaffen. Natürlich gaben Sie mir immerzu Gelegenheit Fragen zu stellen, aber was hat man schon für Fragen, wenn man gar nicht weiß worum es geht und noch halb narkotisiert ist. Deshalb erzähle ich euch an anderer Stelle genauer, was ihr Fragen solltet, wie Ihr das Krankenhaus aussuchen solltet und worauf ihr nach der OP achten müsst. Ich hätte mir gewünscht, man hätte mir mitgeteilt in welchem Stadium die Endometriose sich befindet. Ich hätte mir gewünscht, man hätte mich auf die Komponente der Ernährung hingewiesen, statt mir zu jeder Mahlzeit Gluten und Billgwurst hinzustellen. Ich wünschte, man hätte mich über weitere Therapie Möglichkeiten aufgeklärt. Man fragte statt dessen einfach nur, ob ein Kinderwunsch bestehen würde. Ja, sagte ich. War ja auch die Wahrheit. Daraufhin sagte man mir ich solle schnell schwanger werden. Ich hatte keine Ahnung, dass es eine weitere Therapie gegeben hätte, wenn die die Kinderfrage mit nein beantwortet hätte. Ich hätte mir also gewünscht, man hätte mir bereits zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung unter allen möglichen Therapieformen überlassen sollen und mich über den Zusammenhang der Endo und einer Schwangerschaft beziehungsweise der weiteren Therapiemöglichkeiten, die eine Schwangerschaft jedoch temporär unmöglich machen, aufklären sollen.
So traf ich nach der OP zu Hause ein…
und fand, dass meine Welt sich komplett verändert hatte. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Zumindest nicht in meiner Wahrnehmung. Doch das änderte sich schnell wieder.
Vorerst ignorierte ich meine neue Krankheit, die ja eigentlich gar nicht neu war, und tat so wie jemand, der sich von seiner Krankheit erholt. Das war etwas schizophren, denn ich wusste bereits aus dem Internet und aus Broschüren, dass Endo nicht heilbar ist. Also auch ich nicht. Während ich also einerseits froh war vermeidlich „geheilt“ zu sein, studierte ich im Krankenbett alles was ich zur Endo finden konnte.
Nach der Sanierung
hieß es nun, warten auf den nächsten Zyklus. Meine Regelblutung ließ 14 Tage länger auf sich warten als geplant, natürlich hatte mir auch keiner gesagt, dass dies normal sei. Ich fieberte dem Tag einerseits entgegen, andererseits fürchtete ich ihn schrecklich, denn er würde der Tag der Wahrheit werden, an dem sich herausstellt, ob ich noch immer einmal im Monat unter Schmerzen den Nahtod fühlen müsste, oder ob dies nun Geschichte sei. Und dann kam der Tag der Tage. Das Ziehen im Rücken begann am späten Abend. Im Krankenhaus hatte man mir gesagt, man könne nichts versprechen aber die Chance, dass die Schmerzen nun besser werden, ist höher als die, dass sie noch immer so stark sind. Ohne wirkliche Hoffnung, nahm ich umgehend 500 mg Naproxen und die brachten, oh Wunder, alles zu augenblicklich zum Stillstand. Der 2te Tag, der mich immer besonders schmerzte und so oft in den Rettungswagen beförderte ,verlief genauso harmlos wie er Vorabend, diesmal schafften es 2 läppische Buscopan ohne jedes weitere Schmerzmittel, mich völlig beschwerdefrei zu machen. Und so geschah etwas unfassbar Schönes: Ich verbrachte die ersten beiden Zyklustage beinahe beschwerdefrei und glücklich. Am dritten Tag tat mir gar nichts weh, genau wie das am dritten Tag meiner Blutung immer ist, also wie erwartet. Und dann passiertes etwas völlig Absurdes. Am 4ten Tag, die Blutung war eigentlich schon vorbei, startete der Schmerz wehenartig voll durch und die Blutung setzte wieder ein. Schmerzen und Blutung am 4ten Tag, das gab es noch nie in meiner Karriere aber es war ok, denn auch dies bekam ich innerhalb von 15 min mit Buscopan in den Griff. Diese erste Periode nach der OP war auch länger als gewöhnlich, ab dem nächsten Zyklus war alles gut. Die Regelblutungen gingen ca 4 Tage, die Schmerzen beschränkten sich fortan auf den ersten Tag und auf ein Ausmaß, welches mit Schmerzmitteln schnell und effektiv zu bekämpfen war.
Das, liebe Mädels, ist für mich bereits ein wahnsinnig großer Gewinn an Lebensqualität gewesen, denn bis zur OP, half kein Schmerzmittel außer das, was ich im Krankenhaus in rauen Mengen intravenös bekam.
Alsbald begann ich,
meine Ernährung umzustellen und einen Plan zu fassen, wie ich sowohl mit als auch gegen die Krankheit aktiv werde. In extra Kapiteln werde ich Euch alles zusammenfassen was ich gegen Endometriose unternehme und warum ich diese Strategien anwende, während ich andere ablehne. Ich werde Euch dort auch berichten, wie schwierig sich die Umstellung der Ernährung im Alltag darstellt und mit welchen Tricks ich es trotzdem schaffe meine Endo-Diät einzuhalten. Ausserdem werde ich ein Kapitel dazu verfassen, welche Medikamente mir inzwischen helfen, welche Ernährungsergänzung ich benutze und warum und wie ich gelernt habe Stress zu vermeiden. So lebe ich nun und hoffe, die Endo bleibt mir lange vom Hals.